Gilberto Ota de Oliveira hat in Südbrasilien die erfolgreiche Bohnen-Kooperative Coperaguas mitbegründet. Stefanie Braunisch hat er erzählt, warum er sein Leben der nachhaltigen Landwirtschaft widmet.
Zum Zeitpunkt des Gespräches mit Gilberto Ota de Oliveira in Wien hat sich der Frühling in Mitteleuropa noch nicht durchgesetzt. De Oliveira kommt wegen des Wetters in einer dicken Daunenjacke in den Raum. Der Brasilianer ist weder groß noch kräftig gebaut, doch ist ihm anzusehen, dass er einer ist, der anpackt. Genau so ist auch die Initiative Coperaguas entstanden: „Es geht nicht darum, ein schönes Projekt zu machen. Die Leute, die mitmachen, sollten es dadurch besser haben.“
Anpacken war in den 1990er Jahren die Devise in seinem Heimatort Águas Frias im südbrasilianischen Bundesstaat Santa Catarina. Die Böden waren von der landwirtschaftlichen Übernutzung ausgelaugt, das Wasser knapp, ein Wandel war nötig.
De Oliveira wuchs in einer der reichsten Familien des Ortes auf. Sein Vater war lange Zeit Bürgermeister. Gilberto studierte Betriebswirtschaftslehre und sollte erfolgreicher Manager werden. Doch ein Unfall wurde zu einem Wendepunkt: De Oliveira flog ein Düngeflugzeug und stürzte ab. Im Zuge dessen wurde er mit Dünger vergiftet. „Ich habe nach diesem Unfall gemerkt, dass das für mich kein gutes Leben ist. Ich musste einfach raus aus dem profitorientierten Denken unserer Gesellschaft.“ Ende der 1980er Jahre begann er mit Umweltschutzorganisationen zu arbeiten, zunächst, um eine lokale Affenart vor dem Aussterben zu retten. Wie sahen ihn die Menschen in seinem Dorf nach diesen Veränderungen? Viele hätten ihn als „Träumer“ abgestempelt, sagt er im Rückblick.
Überzeugungsarbeit. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft im Süden Brasiliens war in den 1980er und 1990er Jahren in einer ernsten Krise. Aufgrund der ungleichen Landverteilung und der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft zogen viele in die Städte. Die Erträge der kleinen Ländereien, die sie besaßen, reichten nicht mehr zum Überleben.
In dieser Ressourcenkrise machte es sich de Oliveira zur Aufgabe, die Bäuerinnen und Bauern von nachhaltigen Anbaumethoden zu überzeugen. Bis dahin war es üblich, so ertragreich wie möglich, aber ohne Rücksicht auf die Folgen für die Natur zu wirtschaften. De Oliveira ging es dabei um mehr: Die Umstellung sollte nicht nur eine landwirtschaftliche sein, sondern auch eine soziale, die auf Solidarität, Gleichheit und Selbstständigkeit basierte. Um den Menschen den Umstieg auf nachhaltigen Anbau zu erleichtern, hörte er sich die Sorgen der LandwirtInnen an und vernetzte sie mit Umweltorganisationen und NGOs.
Wenn er über seine Arbeit spricht, sind ihm sein Enthusiasmus und seine Begeisterung, nach 20 Jahren Engagement, noch immer anzusehen.
Dank der Diskussion mit den Menschen über Missstände und der Entwicklung von Alternativen entwickelte sich das damalige Netzwerk rasch weiter, bis 2003 daraus offiziell die Kooperative Coperaguas entstand. Sie unterstützt heute 371 LandwirtInnen beim nachhaltigen Anbau von Soja, Bohnen und Mais und bei der Schweinezucht. Für den Vertrieb hat Coperaguas mittlerweile eine eigene Gesellschaft gegründet. Diese verkauft die Hülsenfrüchte und das Schweinefleisch von den elf Standorten der Kooperative.
Gemeinsam. De Oliveira selbst versucht nach wie vor nach solidarischen Prinzipien zu leben. Er betont nachdrücklich, dass nicht eine einzelne Person im Zentrum der Kooperative stehen darf: „Macht muss dezentralisiert und Verantwortung aufgeteilt werden.“ In der Kooperative gehe es um ein demokratisches Zusammenleben und den gemeinsamen Versuch, die Lebenssituation jedes Einzelnen mithilfe der Gemeinschaft zu verbessern: „Es geht darum, mit Verbündeten in einem Boot zu sitzen, selbst wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt. Es ist ein Prozess auf vielen Ebenen, aber wir haben schon viel erreicht.“
Das Konzept der Nachhaltigkeit scheint nicht nur Anklang bei den LandwirtInnen, sondern auch bei den KonsumentInnen gefunden zu haben. Coperaguas hat sich in den vergangenen Jahren zum größten Bohnenexporteur Brasiliens entwickelt, die Produkte gehen mittlerweile in 25 Länder.
Erfolgreich ist Gilberto Ota de Oliveria also doch geworden. Doch statt profitorientierter Manager kommt er als idealistisches Gründungsmitglied einer großen Kooperative daher, lächelnd und in eine dicke Daunenjacke verpackt.
Stefanie Braunisch, Journalistin aus Wien, arbeitet für die Investigativplattform Dossier und als freie Kulturjournalistin.
Das Gespräch mit Gilberto Ota de Oliveira kam im Rahmen des Kongresses „Gutes Leben für alle“ im Februar in Wien zustande.
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